Donnerstag, 7. Juli 2011

Hörspiele, die noch ihrer Aufnahme harren. Teil 9: Die Telegraphen-Tiger


Manchmal ereilt sogar Jugendliche ein Geistesblitz: Wie war das eigentlich, als es noch keine Mobiltelefone gab, man Telefone vielmehr ankurbeln mußte, Facebook noch der örtliche Pranger auf dem Marktplatze war? Womit beschäftigte sich die Generation unserer Groß-, wenn nicht gar Urgroßeltern Jahrzehnte vor dem Ei-Pott, als mp3-Dateien noch unkomprimiert auf riesigen schwarzen rotierenden Vinyl- oder Schellack-Scheiben lagerten? Und nicht jeder konnte es sich leisten, keinen Bauernhof zu haben, wo man es sich nicht leisten konnte, dem süßen Nichtstun zu frönen! Womit beschäftigte sich also die dekadente Bourgeoisie des frühen zwanzigsten Jahrhunderts? Schließlich war nicht immer Krieg! Was also sorgte für Zerstreuung? Bücher waren gewiß auch hier und da in Mode, waren jedoch der gleichzeitgen Erbauung durch Näh-, Stick- oder Strickarbeiten hinderlich. Und die Zeit mußte sinnvoll genutzt werden, schließlich war bald doch wieder Krieg, und die damalige Lebenserwartung lag auch noch weit unter der heutigen.
Wie wohl nur wenigen nach dem Lesen dieses Beitrages bekannt sein wird, gab es bereits damals Hörspiele, die jedoch leider in den seltensten Fällen erhalten blieben. Meistens wurden sie vermittels eines Blechdosentelefons vor Publikum improvisiert und sind daher für immer verloren. Jedoch tauchten überraschend im Archiv des Hörspielverlages Ur-Opa etliche Folgen der verschollen geglaubten Jugendserie „Die Telegraphen-Tiger“ wieder auf und sollen nach entsprechender Überarbeitung bald auch den Weg in gut sortierte Kaufhäuser finden. Wer sich hinter dem Pseudonym des Verfassers, Manfred Mantikor, verbirgt, ist nicht klar, offensichtlich ist aber, daß diese Serie vor allem zur geistig-moralischen Erbauung des Publikums dienen sollte. Vier Kinder aus Köln (oder wie es damals hieß: Cöln) erleben ein Abenteuer nach dem anderen, die sie jedoch durch den geschickten Einsatz ihrer mobilen Telegraphen stets zu einem guten Ende bringen
Bei diesen vier Kindern handelt es sich einmal um Stephan Seitz, genannt Brösel, weil sein Vater eine Zuckerbäckerei hat. Von diesem hat er auch seine Leidenschaft für das Telegraphieren, denn Vater Seitz hat eine eigene kleine Telegraphenstation, wo er Bestellungen beim Müller aufgibt, aber auch Wünsche seiner Kunden entgegennimmt. Frau Seitz ist vor etlichen Jahren bei der Explosion des Backofens ums Leben gekommen.
Matthias Blöder, genannt Mattes, ist so etwas wie der Anführer der vier. Er interessiert sich vor allem für Kriegslehre und Kolonialkunde. Jedoch begeistert auch er sich für das Telegraphieren und hat sich vorgenommen, einmal ein Gerät zu entwickeln, mit dem man bis nach Deutsch-Südwestafrika telegraphieren kann!
Maximilian Müller, genannt Kartoffel, weil er der ungeschlagene Meister des Sackhüpfens ist, ist die Sportskanone der vier Freunde. Egal ob Speerwerfen, Tonfranzosenschießen oder stundenlanges Im-Kreis-Marschieren: Mit der Kondition dieses Teufelskerls könnte es höchstens ein preußischer Gardeoffizier aufnehmen! Er ist überdies Catharinas Bruder.
Catharina Müller, genannt Pottwal, weil sie immer so tranig ist, ist das einzige weibliche Mitglied der Bande und soll durch ihr stetes Fehlverhalten andere Mädchen von dergleichen abhalten: Egal ob es um die Weigerung geht, alleine den Abwasch zu übernehmen, um Dazwischenreden, wenn Männer sich unterhalten oder um spätes Ausgehen ohne männliche Begleitung: Die junge Dame ist ein nie versiegender Quell der Peinlichkeiten für ihren Bruder und den Rest ihrer Familie.
Überdies noch eine wichtige Rolle spielen Vater Seitz, genannt Senex, der den Kindern immer in technischen Dingen hilft, sofern es sich ums Telegraphieren handelt, und Karol Jablonsky, ein Nachkomme polnischer Einwanderer, dem die Telegraphen-Tiger einst aus einer mißlichen Lage halfen.
Unter den wiederaufgefundenen Folgen sind folgende Titel, ob weitere Folgen, hängt von den Funden im Ur-Opa-Archiv ab:
  • Jugendterror im Badesee
  • Katzendiebe aus Fernost
  • Das Ding mit den Essensmarken
  • Blitzkrieg mit den Kutschenmardern
  • Der Nachtschattenfeldzug

2 Kommentare:

Sixtus hat gesagt…

Manfred Mantikor schreibt für den Uropa-Verlag auf Latein?

Pottwal, die Tranige. Dr möchte ich schon dem Namen nach nicht in der Nacht begegnen.
Außerdem ist es für Frauen und Mädchen heute noch unschicklich Männern ins Wort zu fallen. Was haben sie auch schon Wichtiges zu sagen? ;-)

Wird der Mutter Zerstückelung auch genauest geschildert?
Und hat "Kartoffel" (Erdapfel) damals wohl ihre verstreuten Teile in seinen Sack gesteckt?

Zumindest ein gemeinsamer Bekannter aus einem einschlägigen Forum müßte die Hörspiele eigentlich noch live mitbekommen haben. Stichwort "Limonade".

Anonym hat gesagt…

Irgendwie fehlt da noch ein Tier... was gab es denn damals so für Haustiere... mal überlegen....