Ich bevorzuge die Nacht zum Arbeiten. Dies hat vielerlei praktische Gründe, denn wenn man einen gescheiten Gedanken zu einem ebenso gescheiten Ende bringen möchte, so bietet die Nacht hierzu die nötige Ruhe. Nicht umsonst heißt es „stille Nacht, heilige Nacht“! Verkehrslärm ist so gut wie keiner mehr vorhanden, kein lästiges Kerbgetier schwirrt um einen herum ... nun, das muß ich wohl zurücknehmen, Motten und Stechmücken bilden natürlich die Ausnahmen – ziemlich unangenehme Ausnahmen, versteht sich. Das Fernsehen, das von mir ohnehin zumeist gemieden wird, disqualifiziert sich mit seinem seichten Nacht-/Nacktprogramm als Unterhaltung selbst, und Bücher, zumal spannende, wollen von mir meist in einem Durchgange zu Ende gelesen werden, was mit blutrot unterlaufenen Augen morgens um vier oder fünf Uhr seinen Ausklang findet.
Zudem unterbindet Nachtarbeit mittels Schlafunterdrückung solch dämliche Träume, wie mir erst neulich wieder einer über die Hirnrinde geisterte: Ich fuhr mit einer Bergaufbahn in Österreich aufwärts. Wobei Bergaufbahn eigentlich ein blödes Wort ist, das es wohl auch gar nicht gibt. Ich ziehe hiermit meinen Neologismus zurück und benutze das bereits vorhandene Wort Bergbahn, denn wenn eine Bahn bergauf fährt, muß sie ja irgendwann auch wieder bergab fahren. Genau das tat meine Traumbahn jedoch nicht; vielmehr fuhren wir immer höher, bis die Kirchturmspitzen der Bergdörfer schon im Wortsinne umwölkt waren. Ich entsinne mich auch noch meines Ausbruches von Panik, denn ich habe fürchterliche Höhenangst, und die Bahntrasse war einspurig und ähnelte in ihrem Aufbaue einer Sprungschanze beim Skispringen. Zu allem Ungemache gesellte sich auch noch ein rauher Bergwind hinzu, so daß ich es vorzog aufzuwachen. Somit werde ich wohl nie erfahren, wohin die Reise denn ging – vielleicht zur Himmelspforte? Es wäre mir aber ein sehr unangenehmer Gedanke zu wissen und am Ende gar verkünden zu müssen, daß der Himmel ausgerechnet über Österreich läge. Nicht daß ich etwas gegen dieses Land oder seine Bewohner vorzubringen hätte, aber ein klein wenig lokalpatriotisch bin ich doch schon und zöge es vor, den Himmel über meiner Heimat zu wissen.
Für Österreich dagegen sprechen die hübsch gestalteten Euro-Münzen, von deren Vielfalt an Motiven wir Deutschen uns ruhig eine Scheibe hätten abschneiden können, statt Blattwerk mit einer sichtlich verschämt hervorlugenden Eichel auf Metall zu bannen. Unsäglich auch diese Mistforke mit der Quadriga obendrauf, die wohl für Deutschlands Einheit stehen soll, aber einfach nur ein furchtbares Bauwerk, lange Zeit schamhaft verhüllt, in Berlin ist. Hätten wir nicht Goethe, Bach oder meinetwegen auch Käte Strobel portraitieren können? Nein, dort prangt unsere fürchterliche fette Henne, deren Zuschnitt unverkennbar in der Kohl-Ära liegt.
„Das eingesetzte Geliermittel Agar-Agar ist rein pflanzlich.“ Dieser Satz auf meiner Lakritztüte, die ich gerade vor mir liegen habe und zu leeren gedenke, bringt mich auf vielerlei Gedanken meinen Chemieunterricht betreffend. Meine Chemielehrerin war ein herrliches Eifelanergewächs, was sich vor allem in aufreibenden Situationen äußerte: „Wat macht ihr mir füren Sauerei mitte methanolische KOH?! Wat steht ihr all hier vorn rum? Geht nach hinten, und zieht euch euer Schutzbrillen an! Un wenn die Weiber da hinten endlich mal aufhören würden zu gacksen, könnte ma heut och ma anfangen!“ Aus unerfindlichen Gründen wählte ich später Chemie als Leistungskurs, was sich spätestens zu dem Zeitpunkte, als ich mich aufgrund falscher Riechtechnik am Ether aus eigener Herstellung selbst berauschte und zu Boden schickte, als Fehlentscheidung entpuppte.
Eine Fehlentscheidung hinsichtlich einer Telefonnummer ist auch recht unangenehm, zumal für den Angerufenen. Meist kommen solche Telefonate auch just in recht prekären Situationen, etwa beim Spülen, während des Milchüberkochen- bzw. Wasserlassens oder gar beim Duschen. Eiliges Herumrennen in der Wohnung in Fensternähe ohne Bekleidung mag vielleicht spannende Nachbarn beglücken, eine infolge eines Fehlrufes zugezogene Lungenentzündung jedoch wollte ich nicht auf meinem Gewissen haben. Wenn Falschwähler wenigstens den Schneid hätten, kurz zu sagen, daß sie sich verwählt hätte, doch nein, blitzschnell liegt der Hörer auf der Gabel und wird zwecks erneuten Terrors wieder emporgehoben. „Rrring! Rrring!“ ertönt es dann am anderen Ende der Leitung. Menschen mit einer Türklingel, die in ähnlicher Manier sich äußert, laufen hier gar Gefahr, nackend die Tür zu öffnen und für alle Zeit in der Nachbarschaft wie ein Aussätziger behandelt zu werden! Ich entsinne mich, daß ich einmal in einem solchen Zustande ganz in Gedanken einem Versicherungsmakler die Tür öffnete. Entsetzte Blicke trafen mich, und nach einem kurzen, aber doch zu langen Augenblicke des Innehaltens schlug ich die Tür wieder zu, um mir etwas überzustreifen. Ich bekam übrigens keinerlei Angebote von der Versicherung.
Aber die meisten Telefone haben heute ohnehin einstellbare, höchst unterschiedliche Klingeltöne, die ganz bestimmt nicht mit der Türklingel verwechselt werden können, und eine Türklingel, die durch ein einfaches „Dingdong!“ Eintritt begehrende Menschen ankündigt, leistet ebenso ihr Scherflein im Sinne der Verwechslungsgefahrsbannung. Dieses Wort hätte Mark Twain sicher gefallen, um es als abschreckendes Beispiel der Komplexität deutscher Sprache anzuführen. Der braucht aber gar nicht zu mosern, denn so kompliziert unsere Sprache ist, so primitiv scheinen amerikanische Telefone zu sein: Selbst wenn sie neusten Baujahres sind, geben sie noch ihr altmodisches „Rrring! Rrring!“ von sich, was nicht auf hochgradige Diffizilität der Fernsprecher schließen läßt. Das weiß ich von amerikanischen Filmen und Serien. Vielleicht ist das aber auch nur eine Festlegung der Synchronstudios, eine DIN zur Synchronisation ausländischer Telefone. Die Türklingeln der Filme und Serien hingegen geben in der synchronisierten Fassung immer nur „Dingdong!“ von sich. Das ist vielleicht auch zur auch intellektuellen Entlastung des deutschen Publikums (bzw. deutschsprachigen, denn Schweizer, Österreicher, Luxemburger, Liechtensteiner, Belgier und Namibianer dürfen selbstverständlich auch zusehen), damit es nicht etwa durcheinanderkommt, wenn jemand nach einem „Rrring! Rrring!“ an die Tür geht; auch wenn es solche Klingeltöne, wie oben beschrieben, gibt. Doch im Fernsehen hat alles seine Ordnung. Daher sind Menschen auch weniger verwirrt, wenn sie ebenso wie die Leute auf dem Bildschirme ein „Rrring! Rrring!“ Telefon und eine „Dingdong!“-Türglocke haben. Besitzt jemand kein Telefon, besteht keinerlei Verwechslungsgefahr im praktischen Leben, nur etwas Unmut breitet sich aus, wenn jemand mit einer „Rrring! Rrring!“-Türglocke jemanden im Fernsehen nach eben diesem Geräusche den Telefonhörer abheben sieht. Am wenigsten gefährdet in dieser Hinsicht sind Leute, die nicht einmal im Besitze einer Tür sind, was einerseits natürlich bedauerlich ist, da sie somit wohl auch nicht eine Wohnung ihr Eigen nennen können, aber andererseits können sie durch die Flimmerkiste auch nicht auch noch verwirrt werden.
So, jetzt habe ich ausführlich über Telefon- und Haustürklingeltöne referiert, Vorschläge zur Neugestaltung deutscher Euro-Münzen unterbreitet, ein wenig von meiner Jugend erzählt – das ist doch nicht gerade wenig. Da möge man es mir verzeihen, wenn mein Kopf jetzt ebenso leer ist wie die vorhin erwähnte Tüte voller Lakritze und mir partout keine vernünftige Überschrift – die ich mir bisweilen zuletzt ausdenke – einfallen will.
Zudem unterbindet Nachtarbeit mittels Schlafunterdrückung solch dämliche Träume, wie mir erst neulich wieder einer über die Hirnrinde geisterte: Ich fuhr mit einer Bergaufbahn in Österreich aufwärts. Wobei Bergaufbahn eigentlich ein blödes Wort ist, das es wohl auch gar nicht gibt. Ich ziehe hiermit meinen Neologismus zurück und benutze das bereits vorhandene Wort Bergbahn, denn wenn eine Bahn bergauf fährt, muß sie ja irgendwann auch wieder bergab fahren. Genau das tat meine Traumbahn jedoch nicht; vielmehr fuhren wir immer höher, bis die Kirchturmspitzen der Bergdörfer schon im Wortsinne umwölkt waren. Ich entsinne mich auch noch meines Ausbruches von Panik, denn ich habe fürchterliche Höhenangst, und die Bahntrasse war einspurig und ähnelte in ihrem Aufbaue einer Sprungschanze beim Skispringen. Zu allem Ungemache gesellte sich auch noch ein rauher Bergwind hinzu, so daß ich es vorzog aufzuwachen. Somit werde ich wohl nie erfahren, wohin die Reise denn ging – vielleicht zur Himmelspforte? Es wäre mir aber ein sehr unangenehmer Gedanke zu wissen und am Ende gar verkünden zu müssen, daß der Himmel ausgerechnet über Österreich läge. Nicht daß ich etwas gegen dieses Land oder seine Bewohner vorzubringen hätte, aber ein klein wenig lokalpatriotisch bin ich doch schon und zöge es vor, den Himmel über meiner Heimat zu wissen.
Für Österreich dagegen sprechen die hübsch gestalteten Euro-Münzen, von deren Vielfalt an Motiven wir Deutschen uns ruhig eine Scheibe hätten abschneiden können, statt Blattwerk mit einer sichtlich verschämt hervorlugenden Eichel auf Metall zu bannen. Unsäglich auch diese Mistforke mit der Quadriga obendrauf, die wohl für Deutschlands Einheit stehen soll, aber einfach nur ein furchtbares Bauwerk, lange Zeit schamhaft verhüllt, in Berlin ist. Hätten wir nicht Goethe, Bach oder meinetwegen auch Käte Strobel portraitieren können? Nein, dort prangt unsere fürchterliche fette Henne, deren Zuschnitt unverkennbar in der Kohl-Ära liegt.
„Das eingesetzte Geliermittel Agar-Agar ist rein pflanzlich.“ Dieser Satz auf meiner Lakritztüte, die ich gerade vor mir liegen habe und zu leeren gedenke, bringt mich auf vielerlei Gedanken meinen Chemieunterricht betreffend. Meine Chemielehrerin war ein herrliches Eifelanergewächs, was sich vor allem in aufreibenden Situationen äußerte: „Wat macht ihr mir füren Sauerei mitte methanolische KOH?! Wat steht ihr all hier vorn rum? Geht nach hinten, und zieht euch euer Schutzbrillen an! Un wenn die Weiber da hinten endlich mal aufhören würden zu gacksen, könnte ma heut och ma anfangen!“ Aus unerfindlichen Gründen wählte ich später Chemie als Leistungskurs, was sich spätestens zu dem Zeitpunkte, als ich mich aufgrund falscher Riechtechnik am Ether aus eigener Herstellung selbst berauschte und zu Boden schickte, als Fehlentscheidung entpuppte.
Eine Fehlentscheidung hinsichtlich einer Telefonnummer ist auch recht unangenehm, zumal für den Angerufenen. Meist kommen solche Telefonate auch just in recht prekären Situationen, etwa beim Spülen, während des Milchüberkochen- bzw. Wasserlassens oder gar beim Duschen. Eiliges Herumrennen in der Wohnung in Fensternähe ohne Bekleidung mag vielleicht spannende Nachbarn beglücken, eine infolge eines Fehlrufes zugezogene Lungenentzündung jedoch wollte ich nicht auf meinem Gewissen haben. Wenn Falschwähler wenigstens den Schneid hätten, kurz zu sagen, daß sie sich verwählt hätte, doch nein, blitzschnell liegt der Hörer auf der Gabel und wird zwecks erneuten Terrors wieder emporgehoben. „Rrring! Rrring!“ ertönt es dann am anderen Ende der Leitung. Menschen mit einer Türklingel, die in ähnlicher Manier sich äußert, laufen hier gar Gefahr, nackend die Tür zu öffnen und für alle Zeit in der Nachbarschaft wie ein Aussätziger behandelt zu werden! Ich entsinne mich, daß ich einmal in einem solchen Zustande ganz in Gedanken einem Versicherungsmakler die Tür öffnete. Entsetzte Blicke trafen mich, und nach einem kurzen, aber doch zu langen Augenblicke des Innehaltens schlug ich die Tür wieder zu, um mir etwas überzustreifen. Ich bekam übrigens keinerlei Angebote von der Versicherung.
Aber die meisten Telefone haben heute ohnehin einstellbare, höchst unterschiedliche Klingeltöne, die ganz bestimmt nicht mit der Türklingel verwechselt werden können, und eine Türklingel, die durch ein einfaches „Dingdong!“ Eintritt begehrende Menschen ankündigt, leistet ebenso ihr Scherflein im Sinne der Verwechslungsgefahrsbannung. Dieses Wort hätte Mark Twain sicher gefallen, um es als abschreckendes Beispiel der Komplexität deutscher Sprache anzuführen. Der braucht aber gar nicht zu mosern, denn so kompliziert unsere Sprache ist, so primitiv scheinen amerikanische Telefone zu sein: Selbst wenn sie neusten Baujahres sind, geben sie noch ihr altmodisches „Rrring! Rrring!“ von sich, was nicht auf hochgradige Diffizilität der Fernsprecher schließen läßt. Das weiß ich von amerikanischen Filmen und Serien. Vielleicht ist das aber auch nur eine Festlegung der Synchronstudios, eine DIN zur Synchronisation ausländischer Telefone. Die Türklingeln der Filme und Serien hingegen geben in der synchronisierten Fassung immer nur „Dingdong!“ von sich. Das ist vielleicht auch zur auch intellektuellen Entlastung des deutschen Publikums (bzw. deutschsprachigen, denn Schweizer, Österreicher, Luxemburger, Liechtensteiner, Belgier und Namibianer dürfen selbstverständlich auch zusehen), damit es nicht etwa durcheinanderkommt, wenn jemand nach einem „Rrring! Rrring!“ an die Tür geht; auch wenn es solche Klingeltöne, wie oben beschrieben, gibt. Doch im Fernsehen hat alles seine Ordnung. Daher sind Menschen auch weniger verwirrt, wenn sie ebenso wie die Leute auf dem Bildschirme ein „Rrring! Rrring!“ Telefon und eine „Dingdong!“-Türglocke haben. Besitzt jemand kein Telefon, besteht keinerlei Verwechslungsgefahr im praktischen Leben, nur etwas Unmut breitet sich aus, wenn jemand mit einer „Rrring! Rrring!“-Türglocke jemanden im Fernsehen nach eben diesem Geräusche den Telefonhörer abheben sieht. Am wenigsten gefährdet in dieser Hinsicht sind Leute, die nicht einmal im Besitze einer Tür sind, was einerseits natürlich bedauerlich ist, da sie somit wohl auch nicht eine Wohnung ihr Eigen nennen können, aber andererseits können sie durch die Flimmerkiste auch nicht auch noch verwirrt werden.
So, jetzt habe ich ausführlich über Telefon- und Haustürklingeltöne referiert, Vorschläge zur Neugestaltung deutscher Euro-Münzen unterbreitet, ein wenig von meiner Jugend erzählt – das ist doch nicht gerade wenig. Da möge man es mir verzeihen, wenn mein Kopf jetzt ebenso leer ist wie die vorhin erwähnte Tüte voller Lakritze und mir partout keine vernünftige Überschrift – die ich mir bisweilen zuletzt ausdenke – einfallen will.
2 Kommentare:
Nackt mit himmlischer Lakritze vor der Haustüre sitzend und dem Ding-Dong des amerikanischen Telefones lauschend.
Stelle ich mir romantisch vor...
Welch praktische Tipps sich doch hier immer wieder verbergen ... ich hoffe, daß ich mir das mit dem Versicherungsmakler merken kann.... hmmm... vielleicht vergesse ich auch einfach immer, mich anzuziehen...
Ob man auch das Vergessen vergessen kann?
Kommentar veröffentlichen