Dienstag, 17. Mai 2011

Streber, Streiche, Strafarbeiten oder Penne, Pauker, Pausenbrote

Herzlich willkommen in der Welt der Alliterationen, wo Reklame­fritzen häufiger unbefugt eindringen, um etwas aus ihr zu stehlen und es in ihrer Werbung unterzubringen. Wie?!? Es ist nicht bekannt, was eine Allite­ra­tion ist? Welch aliterarische Bildungslücke! Nun denn, greifen wir zum pas­senden Syn­onyme deutscher Sprachgefilde: Stabreim, will heißen, daß mehrere Worte oder Sätze oder Verse mit demselben Buchstaben oder zumin­dest mit demselben Laute anklingen, was häufig als schön empfunden wird und leichter ins Ohr und ins Gedächtnis dringt, was ja genau die Inten­tion von Bedarfsweckungs- und Bedarfs­lenkungs­spezialisten sein dürfte.

Wo ich gerade bei Synonymen bin: Ist es nicht furchtbar, daß just für dieses Fremdwort kein einziges deutsches Pendant existiert? Ich kon­sultierte gerade mein Fremdwörterbuch und zu­sätzlich den Thesaurus des Textverarbeitungspro­gram­mes, aber er möchte mir kein einziges ein­zelnes Wort, das synonym für Synonym ver­wendet werden könnte, nennen. Wohlgemerkt, ich spreche von No­mina, denn das kleine „syn­onym“ kann deutsch einfach mittels „bedeutungs­gleich“ oder „sinn­ver­wandt“ in meine Sprache übertragen werden. Nun denn, damit müssen wir wohl leben, daß die Renaissance-Hochnasen und die Humanisten in ihrem ver­geistigten Latein- und Griechischwahne keinerlei Rücksicht auf ihre Mut­tersprache nahmen, als es um die Benennung sprachlicher Phänomene, Ver­zeihung, Erscheinungen ging.

Sprachliche Erscheinungen modernster Art liefert mir im­mer wieder das rechner­ei­gene Textverarbeitungsprogramm, das noch von der vorvorletzten Generation ist. Auf jenem Stan­de ist selbstredend auch die Rechtschreibprüfung, was einer­seits sich nervenschonend auswirkt bezüglich der Tat­sa­che, daß nicht jedes „daß“ mir als falsch angekreidet wird und am Ende gar automatisch, Verzei­hung, selbsttätig ein „dass“ eingesetzt wird; andererseits jedoch scheint dessen Wortschatz ungleich kleiner als der meine zu sein und gänzlich fantasielos. (Nur um mir das zu beweisen, hat das blöde Pro­gramm rasch das letzte Wort des letz­ten Satzes als falsch gekenn­zeichnet!) Nur bei den Vorschlägen für die richtige Schreibung eines angeblich fal­schen Wortes wird das Programm richtig kreativ: So schlug es mir für das Wort „Moldawien“, das es als inkorrekt anstrich, als rich­tige Schreibvariante „Mord­waffe“ vor. Betätigt man dann aus Jux bei der dazugehörigen Haupt­stadt „Chișinău“ den Thesaurus, so landet die Anzeige gleich bei „chloro­formieren“ – paßt ja irgendwie auch wieder zusammen.

Wie man sieht, sind Sprachen jedenfalls schwierig genug, um künstliche In­telli­genz bei nahezu allen möglichen Gelegenheiten ihres Unverstandes zu über­füh­ren. Aber auch natürliche Intelligenz tappt hin und wieder im sprach­li­chen Bereiche ins Fettnäpfchen. Etwa wenn im Deutschen Sätze fal­len wie: „In der Regel sind Frauen recht umgänglich.“ Oder: „Neulich beim Tier­arzte saß mir gegenüber eine junge Frau mit zwei kleinen Möpsen.“ Der Fran­zose hingegen blickt beschämt zu Boden oder wendet sich angewidert ab, wenn man ihn in der Aufregung zart knospender Liebe auffordert: „Baise-moi!“ Zwar heißt „le baiser“ der Kuß, aber das gleich­lau­tende Verb hier­zu bezeichnet heutzutage eine Tätigkeit, die nur noch wenig mit der Fein­fühligkeit eines Schmatzers auf die Wange gemein hat. Also flugs vorher im Wörterbuche nachschlagen und feststel­len, daß dem Schwarme ein zärtliches „Embrasse-moi!“ zuzuhauchen ist.

Viele Deutsche zeitigen jedoch auch in ihrer eigenen Sprache mangelndes Ge­fühl bezüglich des treffenden Ausdruckes und bedienen sich dann irgend­welcher Fremd­worte in der Hoffnung, das klänge besser, gebildeter oder mo­derner. So bewarb sich einst der Rundfunksender SWR 3 ohn’ Unterlaß mit dem närrischen Spru­che „Mehr Hits, mehr Kicks“. Hat sich je auch nur einer in der Wer­beabtei­lung dieses Senders darum bemüht, das zu übersetzen? „Mehr Schläge, mehr Tritte“ – der SWR eine auf­rühreri­sche Krawallstation? Die Mo­de­ra­toren dort alle­samt wegen Körperverletzung vorbe­strafte Ex-Knastis? Nun denn, wer sich unbedingt der Lächerlichkeit preis­geben will, wird eben Spre­cher eines solchen Sprachschludersenders.

Freilich sind auch gebildetere Kreise ohne Scheu willens und imstande, als Bil­dungsbürgergut getarnte, aber verfehlte Vo­ka­beln auf uns loszulassen. So dürfte ein jeder besagter Gattung Angehörige wis­sen, daß das griechische Wort für Blume ἄνθος ist und λόγος das u. a. für die Kunde, eine Wissenschaft. Und dann verkaufen uns besagte Leute die ἀνθολογία – also eine Blumenkunde – als Gedichtssammlung, weil es schließ­lich kaum jemand, der kein Griechisch kann, bemerken wird. (Im Zu­sam­menhange mit Griechisch fällt mir noch diese widerli­che Darmkrebs-Wer­bung ein, die im Jahre 2002 ständig lief. Das heißt, der Kunden­fänger war nicht für den Krebs, sondern für die Vorsorge wider diesen ge­dacht. Und just in jener Reklame sagt der Mann zu seiner darmbekrebsten Frau: „Ich muß mein Griechisch auf­bessern!“ Nun denn: Frohes Tasten!) Solche Leute werden uns eines Tages italieni­sches Speiseeis mit dem ver­lockenden Na­men „Vendetta“ in der Kühltheke prä­sentieren!

Ja, Rache ist süß, ebenso süß wie die Packung Schokoröllchen, die ich mir jetzt zuführen werde und die mein Körper, ein wahrer Zauberkünstler, bin­nen Stun­den in Speckröllchen verwandeln wird.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"Ohne Gleichen" :)



... nein nicht von Bahlsen, sondern vom Flaverl !



P.S.: Ja... ich weiß, "ohne Gleichen" sind die Waffeln, aber mir fällt weder der Name von den Röllchen ein, noch hätte das dann wahrscheinlich gepasst. ;)

Sixtus hat gesagt…

'Fanfare' heißen diese schmackhaften Röllchen.

"Fanfare fressen fiele" (@ Speckröllchen)

"Frederic fögelt Frauke" (@ Baise-moi!)

Ja, Alliterationen bringens...
(und ich gebe der Rechtschreibprüfung etwas zu tun)

Tamara Fabian hat gesagt…

Ich hab noch was für die Korrekturfunktion gewisser Programme: Aus "Maustreiber" hat es bei mir seinerzeit "masturbieren" gemacht, und der "Oranier-Orden" wurde auch schon, wie unter anderem bei Bastian Sick nachzulesen ist, "Onanier-Orden". Wieso haben die bei diesen Programmen immer so eine dermaßen schmutzige Fantasie? Ts....
Und von wegen Alliterationen: "Menschen, Tiere, Sensationen"! Ach so, ja, das ist gar keine. Trotzdem berühmt geworden.