Freitag, 6. August 2010

Naseweise Bemerkungen über eine Ausdruckweise, die weniger Eloquenten die Zornesröte ins Gesicht treiben möge

Ich möchte mich heute an dieser Stelle selbst einer unangenehmen Eigen­heit meiner Person bezichtigen, nämlich der Besserwisserei, Neunmalklug­heit, Alles­wisse­rei, Rechthaberei, Gschaftlhuberei. Ich weiß nicht, ob sie da­her her­rührt, daß ich schreibe, und zwar nicht für eine große Zeitung mit vier Buchsta­ben (oder war es die Zeitung mit den vier großen Buchstaben?), sondern um mei­nem Geiste und meinen Fingern ein wenig Bewe­gung zukommen zu lassen. Mitun­ter gilt meine Ausdrucksweise für ein wenig verschroben, wo sie nicht gar antik anzumuten sei, so daß etlich un­geübtes Lesevolk entnervt meine Geistesfrucht in den Papierkorb zu befördern droht, auf daß es sie nicht mehr lesen müssen möge. Was den heu­tigen Griechen der Gegensatz zwischen Δημοτική und Κα­θα­ρεύουσα, ist mir der Antagonismus alltäglichen Deutschs und meiner wunderlichen Sprache. Nun möge man aber nicht vermuten, ich redete gar genau so, wie ich schreibe, das ist selbstverständlich nicht der Fall; vielmehr wissen die, die mich kennen, daß ich mir eher selten Fusseln an den Mund referiere. Ich lasse lieber re­den, das inspiriert mehr. Aber es wäre doch auch ein schauerlicher Kasus, schriebe ich gar, wie mir der Schnabel gewachsen.

Moselfränkische Indifferenz den feinen Unterschied zwischen „sch“ und wei­chem „ch“ betreffend ist jedermanns Sache nicht und daß in dem Wort­schatze meiner Heimat die Worte „als“ und „nehmen“ nicht existieren, son­dern wir im­mer „wie“ und „holen“ sagen, stößt etlichen, die derlei nicht ge­wohnt sind, auch übel auf. Damit könnte ich vielleicht den örtlichen Fastnachtsverein beglücken, aber im Münsterlande verstünde mich schon kaum noch jemand – und, was mich noch schlimmer dünkt, der dächte dann am Ende, daß da etwas Köl­sches aus meinem Munde quölle! Welch ein garstiger Gedanke! Nein, da bleibe ich lieber bei mei­nem hochgeschraubten Deutsch und würze es mit dem antiquarischem Wortschatze, der sich beizeiten in meinem Bregen niederließ, da ich mit Latein und Alt­griechisch gequält wurde, besser gesagt quälte ich mich selbst. Und jetzt bin ich so frei, andere mit meinem Ausdrucke zu martern. So habe ich mir angewöhnt, Ge­ni­tive und Dative meist voll auszuschreiben, also auf -es und -e enden zu las­sen, weshalb mir seitens einer Universitätsdozentin schon altprofessorale Allü­ren unterstellt wurden.

In der Schule wurde uns beigebracht, „tun“ sei kein Tuwort und wäre im Schrift­ge­brauche zu unterbinden; ich jedoch finde das wie eine Epidemie um sich grei­fende „machen“ noch viel schlimmer, weshalb ich es tunlichst ver­meide. Doch nun will ich eine Ausnahme machen, womit ich mit dem soeben Ge­schriebenen begonnen habe. Wie stumpfsinnig läse es sich, wenn ich alle Naselang mit „ma­chen“ ankäme: „Ich mache Texte“ – das klingt, als ob ich da mit einer Schere die Buchstaben ausschnitte und sie zu einem Wortsalate verarbeitete, ich schreibe lieber Texte. (Da fällt mir der griechische Ausdruck des „λογοποιός“ ein, welcher wörtlich übersetzt „Wortmacher“ heißt. Aber in der Antike hat man sowieso fast nur rhetorische Werke mit dem Blicke aufs Publikum zusammengeschustert.) Ferner mache ich auch keinen Urlaub oder Ferien, ich urlaube oder habe Ferien. Wenn mir etwas nichts ausmacht, ist es mir gleich. Macht etwas keinen Sinn, so hat es keinen und wird auch nie einen ergeben. Wer Türen auf- und zumacht, öffnet und schließt sie. Und wer in der Zeit da­zwischen saubermacht, der putzt, wäscht oder reinigt. Einen Rechner macht man nicht an oder aus, man schaltet ihn ein und schal­tet ihn aus. („Die Gefühle müssen raus!“) Es gibt so viele Tätigkei­ten, die durch das erbärmliche „machen“ geradezu entmenscht werden: „Machst du noch die Frau Müller?“ hieß es etwa in meiner Zeit als Aushilfskraft in der Altenpflege. Wie soll ich einen Menschen machen? Bin ich der Schöpfer­gott und in der Lage, aus Asche und Staub einen atmenden, fühlenden Men­schen zu gestalten, ihm den Odem des Lebens einzuhauchen?

Nein, das bin ich nicht, und deshalb bevorzugte ich die deutlichere Ausdrucksweise, in­dem ich ant­wortete: „Ja, ich wasche sie. Ja, ich gehe mit ihr zur Toilette. Ja, ich bringe sie ins Bett.“ usw. usf.

Einen weiteren scheußlichen Ausdruck vermittels „machen“ fand ich in Jacques Berndorfs Kriminalroman „Eifel-Filz“: „Ein Mann sollte ein Kind ma­chen, einen Baum pflanzen und eine arbeits­lose Soziologin be­schäf­tigen.“ Wir neh­men also einen Klumpen Lehm und ma­chen einen Nach­kommen daraus – welch verruchte Vor­stel­lung! Wobei ich dem Re­ste der Bemerkung uneinge­schränkt zu­stimme.

Ferner ist es für die Erstellung des Schrifttumes natür­lich auch sehr viel befreien­der, daß man nicht, wie in der Schulzeit oder auch als Beamter, an ir­gendwelche Recht­schreib­­regelungen ge­bunden ist, so daß ich, im Zuge der Verkür­zungs­möglichkeit, lieber nach alter Väter Sitte ß statt ss schreibe. Über­haupt muß man unseren deutschen Nationalbuch­staben ehren und vor allem nut­zen, denn keine andere Sprache der Welt hat un­ser ß, nicht einmal unser na­her Verwandter Luxemburgisch. A, ö und ü müssen wir ja noch mit anderen Spra­chen teilen, aber das ß bleibt uns al­lein.

So, jetzt aber genug der Lobpreisung, sonst quillt der nur als Minuskel existente Buchstabe gar noch zur Majuskel auf, und das will ich nicht verschul­den. Wenden wir uns lieber einer Frage von existentieller Wichtigkeit zu: Welche Be­deutung hat der Energieerhaltungssatz für das Leben nach dem Tode?

1 Kommentar:

Rainer hat gesagt…

Oh ja, wir sind ein Volk von Machern ! Hmmmm....

hehehe... da fällt mir ein: Ich habe früher (ja, sehr viel früher ;) ) mir diese Süßigkeit "Eszet-Schnitten" immer gern auf mein Schulpausenbrot gelegt, ich habe da dann immer "ß-Schnitten" auf Mutters Einkaufszettel geschrieben .... gibt es diese noch? Nicht die Mutter, sondern die Schokoladenscheiben.