Ich möchte mich heute an dieser Stelle selbst einer unangenehmen Eigenheit meiner Person bezichtigen, nämlich der Besserwisserei, Neunmalklugheit, Alleswisserei, Rechthaberei, Gschaftlhuberei. Ich weiß nicht, ob sie daher herrührt, daß ich schreibe, und zwar nicht für eine große Zeitung mit vier Buchstaben (oder war es die Zeitung mit den vier großen Buchstaben?), sondern um meinem Geiste und meinen Fingern ein wenig Bewegung zukommen zu lassen. Mitunter gilt meine Ausdrucksweise für ein wenig verschroben, wo sie nicht gar antik anzumuten sei, so daß etlich ungeübtes Lesevolk entnervt meine Geistesfrucht in den Papierkorb zu befördern droht, auf daß es sie nicht mehr lesen müssen möge. Was den heutigen Griechen der Gegensatz zwischen Δημοτική und Καθαρεύουσα, ist mir der Antagonismus alltäglichen Deutschs und meiner wunderlichen Sprache. Nun möge man aber nicht vermuten, ich redete gar genau so, wie ich schreibe, das ist selbstverständlich nicht der Fall; vielmehr wissen die, die mich kennen, daß ich mir eher selten Fusseln an den Mund referiere. Ich lasse lieber reden, das inspiriert mehr. Aber es wäre doch auch ein schauerlicher Kasus, schriebe ich gar, wie mir der Schnabel gewachsen.
Moselfränkische Indifferenz den feinen Unterschied zwischen „sch“ und weichem „ch“ betreffend ist jedermanns Sache nicht und daß in dem Wortschatze meiner Heimat die Worte „als“ und „nehmen“ nicht existieren, sondern wir immer „wie“ und „holen“ sagen, stößt etlichen, die derlei nicht gewohnt sind, auch übel auf. Damit könnte ich vielleicht den örtlichen Fastnachtsverein beglücken, aber im Münsterlande verstünde mich schon kaum noch jemand – und, was mich noch schlimmer dünkt, der dächte dann am Ende, daß da etwas Kölsches aus meinem Munde quölle! Welch ein garstiger Gedanke! Nein, da bleibe ich lieber bei meinem hochgeschraubten Deutsch und würze es mit dem antiquarischem Wortschatze, der sich beizeiten in meinem Bregen niederließ, da ich mit Latein und Altgriechisch gequält wurde, besser gesagt quälte ich mich selbst. Und jetzt bin ich so frei, andere mit meinem Ausdrucke zu martern. So habe ich mir angewöhnt, Genitive und Dative meist voll auszuschreiben, also auf -es und -e enden zu lassen, weshalb mir seitens einer Universitätsdozentin schon altprofessorale Allüren unterstellt wurden.
In der Schule wurde uns beigebracht, „tun“ sei kein Tuwort und wäre im Schriftgebrauche zu unterbinden; ich jedoch finde das wie eine Epidemie um sich greifende „machen“ noch viel schlimmer, weshalb ich es tunlichst vermeide. Doch nun will ich eine Ausnahme machen, womit ich mit dem soeben Geschriebenen begonnen habe. Wie stumpfsinnig läse es sich, wenn ich alle Naselang mit „machen“ ankäme: „Ich mache Texte“ – das klingt, als ob ich da mit einer Schere die Buchstaben ausschnitte und sie zu einem Wortsalate verarbeitete, ich schreibe lieber Texte. (Da fällt mir der griechische Ausdruck des „λογοποιός“ ein, welcher wörtlich übersetzt „Wortmacher“ heißt. Aber in der Antike hat man sowieso fast nur rhetorische Werke mit dem Blicke aufs Publikum zusammengeschustert.) Ferner mache ich auch keinen Urlaub oder Ferien, ich urlaube oder habe Ferien. Wenn mir etwas nichts ausmacht, ist es mir gleich. Macht etwas keinen Sinn, so hat es keinen und wird auch nie einen ergeben. Wer Türen auf- und zumacht, öffnet und schließt sie. Und wer in der Zeit dazwischen saubermacht, der putzt, wäscht oder reinigt. Einen Rechner macht man nicht an oder aus, man schaltet ihn ein und schaltet ihn aus. („Die Gefühle müssen raus!“) Es gibt so viele Tätigkeiten, die durch das erbärmliche „machen“ geradezu entmenscht werden: „Machst du noch die Frau Müller?“ hieß es etwa in meiner Zeit als Aushilfskraft in der Altenpflege. Wie soll ich einen Menschen machen? Bin ich der Schöpfergott und in der Lage, aus Asche und Staub einen atmenden, fühlenden Menschen zu gestalten, ihm den Odem des Lebens einzuhauchen?
Nein, das bin ich nicht, und deshalb bevorzugte ich die deutlichere Ausdrucksweise, indem ich antwortete: „Ja, ich wasche sie. Ja, ich gehe mit ihr zur Toilette. Ja, ich bringe sie ins Bett.“ usw. usf.
Einen weiteren scheußlichen Ausdruck vermittels „machen“ fand ich in Jacques Berndorfs Kriminalroman „Eifel-Filz“: „Ein Mann sollte ein Kind machen, einen Baum pflanzen und eine arbeitslose Soziologin beschäftigen.“ Wir nehmen also einen Klumpen Lehm und machen einen Nachkommen daraus – welch verruchte Vorstellung! Wobei ich dem Reste der Bemerkung uneingeschränkt zustimme.
Ferner ist es für die Erstellung des Schrifttumes natürlich auch sehr viel befreiender, daß man nicht, wie in der Schulzeit oder auch als Beamter, an irgendwelche Rechtschreibregelungen gebunden ist, so daß ich, im Zuge der Verkürzungsmöglichkeit, lieber nach alter Väter Sitte ß statt ss schreibe. Überhaupt muß man unseren deutschen Nationalbuchstaben ehren und vor allem nutzen, denn keine andere Sprache der Welt hat unser ß, nicht einmal unser naher Verwandter Luxemburgisch. A, ö und ü müssen wir ja noch mit anderen Sprachen teilen, aber das ß bleibt uns allein.
So, jetzt aber genug der Lobpreisung, sonst quillt der nur als Minuskel existente Buchstabe gar noch zur Majuskel auf, und das will ich nicht verschulden. Wenden wir uns lieber einer Frage von existentieller Wichtigkeit zu: Welche Bedeutung hat der Energieerhaltungssatz für das Leben nach dem Tode?
Moselfränkische Indifferenz den feinen Unterschied zwischen „sch“ und weichem „ch“ betreffend ist jedermanns Sache nicht und daß in dem Wortschatze meiner Heimat die Worte „als“ und „nehmen“ nicht existieren, sondern wir immer „wie“ und „holen“ sagen, stößt etlichen, die derlei nicht gewohnt sind, auch übel auf. Damit könnte ich vielleicht den örtlichen Fastnachtsverein beglücken, aber im Münsterlande verstünde mich schon kaum noch jemand – und, was mich noch schlimmer dünkt, der dächte dann am Ende, daß da etwas Kölsches aus meinem Munde quölle! Welch ein garstiger Gedanke! Nein, da bleibe ich lieber bei meinem hochgeschraubten Deutsch und würze es mit dem antiquarischem Wortschatze, der sich beizeiten in meinem Bregen niederließ, da ich mit Latein und Altgriechisch gequält wurde, besser gesagt quälte ich mich selbst. Und jetzt bin ich so frei, andere mit meinem Ausdrucke zu martern. So habe ich mir angewöhnt, Genitive und Dative meist voll auszuschreiben, also auf -es und -e enden zu lassen, weshalb mir seitens einer Universitätsdozentin schon altprofessorale Allüren unterstellt wurden.
In der Schule wurde uns beigebracht, „tun“ sei kein Tuwort und wäre im Schriftgebrauche zu unterbinden; ich jedoch finde das wie eine Epidemie um sich greifende „machen“ noch viel schlimmer, weshalb ich es tunlichst vermeide. Doch nun will ich eine Ausnahme machen, womit ich mit dem soeben Geschriebenen begonnen habe. Wie stumpfsinnig läse es sich, wenn ich alle Naselang mit „machen“ ankäme: „Ich mache Texte“ – das klingt, als ob ich da mit einer Schere die Buchstaben ausschnitte und sie zu einem Wortsalate verarbeitete, ich schreibe lieber Texte. (Da fällt mir der griechische Ausdruck des „λογοποιός“ ein, welcher wörtlich übersetzt „Wortmacher“ heißt. Aber in der Antike hat man sowieso fast nur rhetorische Werke mit dem Blicke aufs Publikum zusammengeschustert.) Ferner mache ich auch keinen Urlaub oder Ferien, ich urlaube oder habe Ferien. Wenn mir etwas nichts ausmacht, ist es mir gleich. Macht etwas keinen Sinn, so hat es keinen und wird auch nie einen ergeben. Wer Türen auf- und zumacht, öffnet und schließt sie. Und wer in der Zeit dazwischen saubermacht, der putzt, wäscht oder reinigt. Einen Rechner macht man nicht an oder aus, man schaltet ihn ein und schaltet ihn aus. („Die Gefühle müssen raus!“) Es gibt so viele Tätigkeiten, die durch das erbärmliche „machen“ geradezu entmenscht werden: „Machst du noch die Frau Müller?“ hieß es etwa in meiner Zeit als Aushilfskraft in der Altenpflege. Wie soll ich einen Menschen machen? Bin ich der Schöpfergott und in der Lage, aus Asche und Staub einen atmenden, fühlenden Menschen zu gestalten, ihm den Odem des Lebens einzuhauchen?
Nein, das bin ich nicht, und deshalb bevorzugte ich die deutlichere Ausdrucksweise, indem ich antwortete: „Ja, ich wasche sie. Ja, ich gehe mit ihr zur Toilette. Ja, ich bringe sie ins Bett.“ usw. usf.
Einen weiteren scheußlichen Ausdruck vermittels „machen“ fand ich in Jacques Berndorfs Kriminalroman „Eifel-Filz“: „Ein Mann sollte ein Kind machen, einen Baum pflanzen und eine arbeitslose Soziologin beschäftigen.“ Wir nehmen also einen Klumpen Lehm und machen einen Nachkommen daraus – welch verruchte Vorstellung! Wobei ich dem Reste der Bemerkung uneingeschränkt zustimme.
Ferner ist es für die Erstellung des Schrifttumes natürlich auch sehr viel befreiender, daß man nicht, wie in der Schulzeit oder auch als Beamter, an irgendwelche Rechtschreibregelungen gebunden ist, so daß ich, im Zuge der Verkürzungsmöglichkeit, lieber nach alter Väter Sitte ß statt ss schreibe. Überhaupt muß man unseren deutschen Nationalbuchstaben ehren und vor allem nutzen, denn keine andere Sprache der Welt hat unser ß, nicht einmal unser naher Verwandter Luxemburgisch. A, ö und ü müssen wir ja noch mit anderen Sprachen teilen, aber das ß bleibt uns allein.
So, jetzt aber genug der Lobpreisung, sonst quillt der nur als Minuskel existente Buchstabe gar noch zur Majuskel auf, und das will ich nicht verschulden. Wenden wir uns lieber einer Frage von existentieller Wichtigkeit zu: Welche Bedeutung hat der Energieerhaltungssatz für das Leben nach dem Tode?
1 Kommentar:
Oh ja, wir sind ein Volk von Machern ! Hmmmm....
hehehe... da fällt mir ein: Ich habe früher (ja, sehr viel früher ;) ) mir diese Süßigkeit "Eszet-Schnitten" immer gern auf mein Schulpausenbrot gelegt, ich habe da dann immer "ß-Schnitten" auf Mutters Einkaufszettel geschrieben .... gibt es diese noch? Nicht die Mutter, sondern die Schokoladenscheiben.
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