Donnerstag, 3. Februar 2011

Vor dem Ausgehen

Ein Ehepaar bereitet sich auf ein Fest vor, auf welches es eingeladen wurde. Er ist etwa Mitte dreißig, hat braunes Haar, Augen von gleicher Farbe und einen leichten Bartschatten. Für die Feier hat er sich eine dunkelblaue Jeans sowie ein bor­deauxfarbenes Hemd angezogen, dazu schwarze Halbschuhe. Nun steht er im Türrahmen des Schlafzimmers und sieht seiner Frau bei ihren letzten Vorkehrun­gen zu. Sie ist etwa ebenso alt wie er und hat schulterlange, dunkel­blonde Haare, grünblaue Augen und einen auffallend schmalen Mund, welchen sie jedoch durch kunstvoll angewandten Lippenstift zu kaschieren weiß. Sie hat sich für einen knielangen, dunkelblauen Rock entschieden und ist gerade dabei, sich die Haare in gewandter Manier hochzustecken.

Er sieht auf die Uhr Beeil dich bitte ein bißchen, wir sind spät dran.
Sie fuhrwerkt ungerührt in ihren Haaren weiter herum Nun hetz mal nicht so. Günter ist schließlich auch kein Ausbund von Pünktlich­keit, da kann er von uns nicht verlangen, daß wir uns seinetwe­gen abhetzen.
Er Du bräuchtest ja auch nicht zu hetzen, wenn du rechtzeitig begon­nen hättest, dich aufzutakeln.
Sie Ich takle nicht, ich mach mich schön!
Er Das bist du doch sowieso!
Sie Danke für das Kompliment. wird mit ihrer Frisur fertig So, das war das. steht auf, geht zum Schuhschrank und öffnet das etwa ei­nen Meter zwanzig hohe Behältnis, das ungeahnte Mengen von Fußbekleidung beherbergt Welche soll ich jetzt bloß anziehen?
Er düster Ich wußte es! Jetzt geht das wieder los!
Sie schnippisch Willst du nun eine perfekte Begleiterin für die doofe Party oder nicht?
Er Ich hätte eigentlich lieber noch etwas vom Büfett. Außerdem: Wer guckt auf einer Sitzparty denn schon auf deine Schuhe?
Sie Ich jedenfalls sehe mir schon an, in was für Teile die anderen Gä­ste ihre Füße zwängen. Das ist alles eine Frage des Stils!
Er Es ist auch eine Frage des Stils, ob man pünktlich oder am Sankt Nimmerleinstag erscheint…
Sie aufbrausend Du kannst meinetwegen gern in irgendwelchen zusam­mengeschluderten Fetzen herumlaufen, ich tue das nicht!
Er Dann zieh dir endlich verdammt noch mal ein Paar schicke Schuhe an, mit denen man dich ausführen kann! Du hast doch Tau­sende davon, da wird sich ja wohl noch etwas finden lassen, was nicht allzu gravierende Gebrauchsspuren aufweist!
Sie Ja, ja, mein Mann: Schuh ist Schuh ist Schuh. Ich kann doch zum Bei­spiel nicht diese gelben Mokassins zu diesem Kleid anziehen…
Er … was dir auch niemand befohlen hat …
Sie … oder diese schwarzen Lacklederstiefel! Es muß alles farblich und stilistisch aufeinander abgestimmt sein!
Er Du brauchst nicht zu dozieren, zieh dir einfach passende Schuhe an, das wird sich bei der Menge ja wohl noch bewerkstelligen las­sen, oder?
Sie Das seid ihr Männer! Keine Ahnung von Mode und Eleganz!
Er Ihr Frauen! Erst kauft ihr Hunderte Klamotten, nur um nachher eine Entschuldigung dafür zu haben, daß ihr euch noch Millionen von Schuhen hinterherkauft! Und dann paßt doch wieder nichts zu­sammen!
Sie Was soll denn das bitteschön wieder heißen?
Er Nimm dir doch mal ein Beispiel an mir: Jeans für den Alltag, da passen auch immer dieselben Schuhe drauf, einen hellen Anzug für Feste, einen dunklen für Beerdigungen – fertig! Da reichen vier, fünf Paar Schuhe völlig aus!
Sie Dich will ich sehen, wenn ich in lila Latzhosen, blauen Strümpfen und trampeligen Gummistiefeln einherstolziert käme!
Er Wenigstens gäbe es dann keine Entscheidungskrisen mehr erst vor dem Wäsche- und dann vorm Schuhschrank! Überhaupt wüßte ich mein Geld lieber besser als in solchen Firlefanz inve­stiert!
Sie Firlefanz? Firlefanz?!? Meine schönen Klamotten nennst du Firle­fanz! Außerdem: Ich verdiene schließlich auch Geld!
Er Aber nicht soviel wie ich.
Sie Was soll den jetzt diese Macho-Nummer? Du weißt doch, daß ich nur halbtags arbeiten kann, solange Rafael noch so klein ist. Und du hättest schließlich auch Erziehungsurlaub nehmen können!
Er O Gott! Dann hätte ich in der Firma gar nicht mehr erscheinen brauchen!
Sie Wenn deine Kollegen nur ein Haufen hinterwäldlerischer Neanderta­ler sind, solltest du dir ohnehin überlegen, ob du da über­haupt noch arbeiten willst! Aber so seid ihr Männer: Ihr veran­staltet Wettläufe zum Südpol, erklimmt den Mount Everest oder fliegt mit einem Fesselballon rund um die Erde – nur damit ihr nicht abwaschen, bügeln oder gar Sohnemanns volle Windeln ent­sorgen müßt!
Er Dafür darf ich dann den Müll in die Tonne befördern! Und die volle Tonne zur Straße bringen, wenn die Müllabfuhr kommt!
Sie Das sind vielleicht in der Woche zwei Minuten, die dir der Ge­stank von Raffis Exkrementen um die Nase weht. Bei mir sind es be­stimmt fünf Minuten täglich; macht fünfunddreißig Minuten die Woche! rechnet kurz Mehr als hundertvierzig Minuten im Mo­nat! Und meine Aufgabe beschränkt sich nicht nur darauf, die vollge­schissene Windel wegzuschmeißen, den zugekackten Arsch muß ich auch noch abwischen!
Er Jetzt wird mal nicht so ausfallend!
Sie schreit, wobei sie einen hochroten Kopf bekommt Ich bin nicht ausfallend! Du Schafskopf provozierst mich doch dauernd! Ich hasse dich!
Er eigenartig gelassen Und ich bringe dich um! Aber zieh dir erst passende Schuhe an, oder willst du etwa eine stillose Leiche sein? Ich würde dir ja doch nur Falsches anziehen.
Sie greift nach leichten, farblich ausgezeichnet zum Kleide passenden Sandalen mit leicht erhöhten Absätzen, zieht sie an, steht auf und geht, ohne ihren Mann eines Blickes zu würdigen, aus dem Zim­mer Ich bin dann schon man im Wagen, wenn du heute noch weg willst! die Haustür wird zugeschlagen
Er Was für ein Theater wegen ein paar dämlicher Schuhe!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Und wie immer beginnt es mit einem einfachen kleinen Kompliment! :)

Sixtus hat gesagt…

Weiber! :-))